Sports & Politics

„Warten aufs WM-Finale“

Das EM-Finale steht. Ohne Deutschland. Schade für die Gastgeber unter Trainer Nagelsmann.

Style PASS sprach Dr. Tim Nebelung, der Sportwissenschaftler istFIFA Licenced Football Agent“ und Inhaber der auf Spielerinnen spezialisierten Agentur „II friends“. Nebelung hält trotz des Ausscheidens der Deutschen große Stücke auf Nagelsmann - und hat für uns eine fachkundige Einordnung des Spielgeschehens parat!

Style PASS: Die EM im "eigenen Land". Sie sind ein bekannter Spielerinnen-Berater. Wie finden Sie das? Was verbinden Sie mit einer Europameisterschaft?

Dr. Tim Nebelung: Ein Turnier im eigenen Land veranstalten zu können, ist immer eine große Herausforderung und in diesem Fall ein riesen Gewinn - interkulturell, emotional, wirtschaftlich und auch sportlich. Auch wenn Deutschland es nicht ins Halbfinale oder Finale geschafft hat, war es für die Deutsche „Natio“ sportlich ein Erfolg wieder richtig guten Fußball gezeigt zu haben und so die Fans hinter sich gebracht zu haben. Das hätte vor ein paar Monaten niemand geglaubt. Das ist schon stark gewesen. Um so trauriger, dass wir so unglücklich und meines Erachtens auch unverdient ausgeschieden sind.

Style PASS: Wie bewerten Sie die Leistung im Halbfinale?

Das erste Halbfinale verlief meinen Erwartungen entsprechend. Spanien als stärkere Mannschaft hat zurecht gewonnen, auch wenn die Franzosen in diesem Spiel anders, besser aufgetreten sind als bisher im Turnier.

Beim anderen Halbfinale hätte ich den Niederländern den Einzug ins Finale zugetraut und auch erhofft. Sie haben guten Fußball gespielt und eine neue Generation wächst dort heran. Wenn Memphis Depay nicht verletzt ausgeschieden wäre, bin ich mir sicher, dass Holland auch gewonnen hätte. Aber die Engländer haben endlich mal ihre Qualitäten gezeigt, gut gespielt und damit auch zurecht gewonnen.

Style PASS: Da gibt es den Sinnspruch "Deutschland besteht aus 80 Millionen Bundestrainern". Wollen Sie etwas zur Trainerleistung von Nagelsmann sagen?

Nagelsmann hat nicht nur auf taktischer Ebene, sondern auch in der Zusammenstellung des Kaders eine ganz eigene Handschrift hinterlegt. Nicht auf Kroos, Neuer und auch Müller zu verzichten war natürlich richtig. Auf und neben dem Platz sind diese Persönlichkeiten immens wichtig. Leider wird es für einige nun nicht weitergehen in der Nationalmannschaft. Da geht eine Ära einer Generation zu Ende.

Aber in zwei Jahren ist die WM. Da werden wieder andere auf dem Platz stehen und herangeführt werden müssen.

Style PASS: Platzhirsche versus junge Talente: Nagelsmann sorgt für die richtige Mischung?

Junge Spieler sollen auch weiter die Chance erhalten. Dass das gelingen kann haben einige sehr junge Spieler gezeigt - alles voran natürlich Yamal Lamine. Das wird Nagelsmann auch tun.

Bemerkenswert war auch Nagelsmann Entscheidung, dass die Familien mit im Camp waren, was zu einer guten Stimmung geführt hat. Auch das war eine umstrittene und mutige Entscheidung.

Aber am besten hat mir an Nagelsmann seine Leidenschaft und Emotionalität, insbesondere bei der letzten Pressekonfernz gefallen. Abschließend mit seiner Attake: „Dass man zwei Jahre warten muss, dass man Weltmeister wird, tut weh.“

Style PASS: Die Erwartungen an das Finale?

Normalerweise, den gesamten Turnierverlauf betrachtend, müsste Spanien gewinnen. Aber nach diesem Halbfinale ist England ebenso ein Sieg zuzutrauen. Zwei Mal haben sie in der letzten Minute gesiegt. Das wird auch im Finale im Kopf sein. Bei den Engländern, aber auch bei den Spaniern. Es wird eine knappe Sache. Ein 1:0 oder 2:1. Letztlich wird die Tagesform und auch Glück in einzelnen Aktionen - und hoffentlich nicht eine Fehlentscheidung wie beim Spiel der Spanier gegen Deutschland - entscheiden.

Style PASS: Was sind Ihre persönlichen Erwartungen an den Europäischen Fußball? Wie bewerten Sie das Niveau im Vergleich zum internationalen Wettbewerb, mit ehrgeizigen Teams aus so genannten "Schwellenländern"?

Gute Frage. Das Niveau war erstaunlich hoch. Über das ganze Turnier hinweg. Und damit meine ich auch explizit die „kleinen“ Nationen, die gezeigt haben, dass sie Spiele gegen größere Nationen dank einer leidenschaftlichen Defensive, hohem Engagement und schnellem Umschalten oder guten Standards solche großen Nationen besiegen können. Das gab es bei einer WM noch nie.

Bemerkenswert war auch die Rolle von Österreich. Dass Österreich als Geheimfavorit galt und mit mehr Matchglück auch hätte weit kommen können, ist besonders.

Das alles zeigt: auch in den anderen europäischen Nationen wird gut gearbeitet.

Style PASS: Sie beraten als Mann erfolgreich weibliche Spielerinnen, kürzlich meldete sich "MVT", sie wolle gerne Männer trainieren. Sind Geschlechtergrenzen im Sport noch zeitgemäß und könnten gemischte Teams im Profifußball eine Vision für die Zukunft sein?

Dass MVT eine Männermannschaft trainieren kann, da habe ich keine Zweifel. Warum auch nicht. Letztlich entscheidet die Qualität und die Einstellung auf die „Rezipienten“. Wenn man immer eine Männermannschaft trainiert hat oder umgekehrt, dann muss man sich in vielen Bereichen als Trainer umstellen und adaptieren. In der Trainingssteuerung, Kommunikation usw.

Dass gemischte Teams einen Platz im Profifußball haben, dies bezweifle ich aber. Da sind gewisse Unterschiede einfach zu groß, insbesondere im Bereich Schnelligkeit und Kraft. Das wird nur in einem Format wie der „Baller League“ oder Ähnliches realisierbar sein. Aber das hat nichts mit Profisport zu tun.

 

Vielen Dank

 

Lest ein Interview mit Dr. Tim Nebelung HIER!

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