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Taugt Heidi noch als Vorbild?
Schön und reich sein, davon träumen viele. Nicht nur junge Mädchen, die hübsch sind und sich Heidi Klum seit nunmehr 17 Staffeln zum Vorbild nehmen, wenn sie Germany's Next Topmodel moderiert. Doch momentan bröckelt das Sauberfrau-Make Up, das von Model und Moderatorin Heidi Klum sorgfältig aufgetragen wurde. Style PASS über überkommene Erfolgsrezepte!
Die Erfolgsstory beginnt in Bergisch Gladbach. Da wird Heidi Klum 1973 geboren. Heidi, der Name ist Programm, denn ähnlich wie die Kinderbuch-Heldin lässt sie die Berge hinter sich, um in der großen, weiten Welt zu reüssieren. Heidi verschlägt es nicht wie die Kunstfigur nach Frankfurt am Main, sondern nach einem von Thomas Gottschalk moderiertem Model-Contest ins amerikanische Mainhatten, nach New York.
Dort modelt sie, wird als Cover-Girl von Sports Illustrated bekannt. Für die richtig großen Marken scheint das Gesicht allerdings zu kommerziell, der Body nicht dürr genug oder die Ausstrahlung schlichtweg wenig interessant. Heidi lässt sich nicht beirren, heiratet einen Frisör, netzwerkt fleißig, gibt RTL Einblicke in ihr Leben als modelnde Deutsche in New York. Lässt sich scheiden, wird von einem deutlich älteren Mann schwanger, kommt mit dem schwarzen Schmusebarden Seal zusammen und bekommt drei Kinder mit ihm.
Kommerzialisiertes Welt- und Frauenbild
Ab 2006 moderiert sie dann Germany's Next Topmodel. Die Verträge sowohl mit Heidi und der Produktionsfirma, aber auch die Verträge, für die teilnehmenden Kandidatinnen soll Heidi Klums Vater Günther aushandeln, der von einer Deutschen Zeitschrift einst als „Kettenhund von Bergisch Gladbach“ betitelt wurde und durch New York gerne im Hawaihemd auftritt.
Zunächst funktioniert das Erfolgsrezept von Germany's Next Topmodel reibungslos: Heidi tritt streng, aber dennoch irgendwie immer freundlich-mütterlich auf. Gibt Styling-Tipps und erklärt den richtigen Walk, lässt die Hüften auffällig schwingen und hat offenbar noch nicht mitbekommen, dass dieser Walk-Style seit den Anfängen der Karriere Claudia Schiffers nicht mehr „in“ ist.
Das Format wirkt dabei immer irgendwie ein bisschen altbacken. Die „Meetchen“, wie Heidi sie nennt, erfüllen in der Außendarstellung oft das Klischee der „Zicke“, blaffen sich gegenseitig an, wenn sie das Kleid, das sie tragen wollten, einer anderen geben müssen, die nach Heidis Meinung besser reinpasst.
Heidi predigt derweil eiserne Disziplin und professionellen Opportunismus: Der Kunde sei König. Jobs abzulehnen, etwa, wenn sich ein Model nicht mit einen Produkt, für das sie werben solle identifizieren könne, No Go.
Schließlich wirbt ja auch Heidi für alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, sei es für Hamburger oder Unterwäsche, in die sie trotz Pommes und Majo dennoch passen würde.
Der Eindruck zwängt sich auf, dass da jemand vom eigenen Erfolg und der Flucht aus der bürgerlich-spießigen Berglandschaft derartig geblendet ist, dass sie dabei übersieht, dass es auch andere Interpretationen von Leben und Glück geben könnte. Die Mädels in Germany's Next Topmodel haben über jeden Job dankbar zu sein, müssen sich schnell und ohne Murren anpassen können und ein positives Lächeln aufsetzen, wenn sie auf Model-Mama Heidi angesprochen werden. Schließlich lächelt auch Heidi selbst den größten Shit Storm weg, der im Netz entbrennt, wenn sich Menschen Gedanken darüber machen, ob Frauen heute noch so – zudem öffentlich im Fernsehen in einer Show, die vor allem von jungen Mädchen in der Entwicklungsphase gesehen wird – dargestellt werden sollten.
Knebelverträge und Schweigepflichten
Momentan knarrt es ganz schön in der kleinen, heilen Germany's Next Topmodel-Welt. Eine Teilnehmerin, Lijana Kaggwa, habe aufgrund des Bildes, was von ihr durch die Produktionsfirma Redseven gezeichnet worden sei, sogar Morddrohungen erhalten. Sie meldet sich nun via Youtube zu Wort, berichtet von geskripteten Storys. So würden beispielsweise Fragen so lange wieder und wieder gestellt, bis die Teilnehmerinnen entnervt seien und als zickiges Scheusal präsentiert werden. Auch müssten die Teilnehmerinnen die Fragen am Anfang ihrer Antwort wiederholen, dadurch entstünden quasi falsche Zitate, weil der Rest der Antwort auch mal weggeschnitten würde. Auch sei der Eindruck entstanden, dass die Teilnehmerinnen bewusst in die Unterzuckerung geleitet würden, ein Trick, den man auch vom Dschungel-Camp kennt: Wem der Magen knurrt, ist seinen Mitmenschen gegenüber schon mal deutlich unleidlicher, als wenn er oder sie zumindest ein paar Kakerlaken gefuttert hat. Zudem sähen die Verträge Schweigepflichten vor, und die Teilnehmerinnen dürften sich öffentlich nicht negativ über Sauberfrau Heidi äußern. Und: Eine am Set für die Girls benannte Vertrauensperson und Kummerkasten-Tante fungiere als Spitzel für die Produzenten*innen.
Diversität als neue Formel der Zeit
Aber irgendwie scheint auch Heidi schon mitbekommen zu haben, dass es so nicht weitergeht. Dass sich junge, selbstbewusste Girls ungerne den Mund verbieten lassen und eventuell nicht für jeden Müll ihr Gesicht hergeben wollen, um die Verkaufszahlen zu optimieren. Bei der vergangenen Staffel lautete „Diversität“ oder englisch „Diversity“ das Motto. Die Teilnehmerinnen durften in Bezug auf Alter, Gewicht, Nasenform oder Hüftumfang vom Idealschema 90-60-90 abweichen und Heidi lobte sich freilich ausreichend selbst, wie toll sie Diversity findet. Darüber macht sich zum Beispiel Youtuberin „Kayla“ gehörig lustig.
Heidi lebt derweil weiter ihren Traum vom Glamourgirl, wie man es sich offenbar in Bergisch Gladbach so vorstellt, fröhlich weiter: Hat einen deutlich jüngeren Boyband-Rentner geehelicht, der ihr jüngst einen Remix zusammen getextet hat, den sie zusammen mit Rap-Veteran Snoop Dogg ins Mikro trällert. Ihre ohnehin heiter-helle Stimme ist fast so hochgetunt, dass sie auch die Königin der Nacht in Mozarts „Zauberflöte“ geben könnte, sollte ihr Ehemann noch ein Mozart-Musical auf ihre Stimmlage texten, mit dem sie durch die Lande tingelt. In Overkness und Badeanzug-Dessous tanzt sie um den Rapper herum und spielt an ihrer prolligen Sonnenbrille herum.
Style PASS meint: Ob das aktuelle Auftreten von Heidi Klum ernst gemeint oder als Satire zu verstehen ist, wissen wir nicht. Sollten die Vorwürfe in Bezug auf die Vertragsinhalte und das manipulative Verhalten der Produktionsfirma stimmen, wird in jedem Fall zu stark in die Persönlichkeitsrechte der Teilnehmerinnen eingegriffen. Diese sollten sich den Mund nicht weiter von Heidi verbieten lassen und selbst entscheiden können, für was sie als Model stehen wollen: Mit tollen Bildern und eigenen Sätzen!
