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Passive, gutaussehende Wesen in der Werbe-Nebenrolle
Eine kleine, heile Welt wird den Verbraucher*innen heute nach wie vor in der Werbung gespiegelt: Uschi Glas beseitigte mit saugfähigem Küchenpapier schon mal - „wisch und weg“- die eine oder andere „Katastrophe“ in der Küche. Oder die Ehefrau von Investmentbanker Alexander Dibelius, Laila Maria Witt macht auf Youtube nicht nur mit schnellen Rührei-Rezepten auf sich aufmerksam, sondern räkelt sich im sexy Dress auch um Autos herum. Frauen als Rollenträgerinnen, Sexismus, der durch Werbung transportiert wird, ist heute noch vielerorts selbstverständlich: Style PASS sprach mit Gesa Birkmann von den TERRE DES FEMMES über ihre Arbeit im Bereich „Sexismus in der Werbung“ und was hinter dem „zornigen Kaktus“ steckt.
Style PASS: Aktuell macht TERRE DES FEMMES mit einer Aktion contra „frauenfeindliche Werbung“ auf sich aufmerksam?
Gesa Birkmann: Werbung ist leider immer noch häufig von einer sexistischen Grundhaltung geprägt. Allzu oft greifen Marken auf das stereotypische Bild der Frau zurück – die junge, schlanke Frau, die passiv und gutaussehend ist und deren Hauptrolle im Leben untrennbar von Haushalt, Kindererziehung und Mode gesehen wird. Es wurde zwar schon viel getan, um diese veralteten Rollenbilder im Marketing-Bereich zu beseitigen, aber sie sind immer noch sehr präsent, wenn inzwischen manchmal auch subtiler in der Darstellung.
Style PASS: Was sind die Kennzeichen von „frauenfeindlicher Werbung“?
Kennzeichen frauenfeindlicher Werbung sind beispielsweise, wenn spärlich bekleidete Frauen eingesetzt werden, um auf ein Produkt aufmerksam zu machen, auch wenn die Frau oder ihr Körper nichts mit dem beworbenen Produkt zu tun hat. Der Körper der Frau wird obendrein häufig zerstückelt (nur Oberkörper, oder nur Beine) und damit als separates Objekt behandelt. Dadurch halten die Werbetreibenden die Vorstellung aufrecht, dass der Körper einer Frau nur als Objekt gesehen wird – nicht die Frau als Mensch mit Gewissen, Gefühlen, Ideen, Kraft, Die versteckte Botschaft dahinter lautet, dass die Person selbst irrelevant ist, solange das abgebildete Körperteil (z.B. die Taille oder das Bein), verführerisch aussieht und Aufmerksamkeit erregt. Hinzu kommt leider, dass die Posen der Frauen häufig sexuelle Anspielungen suggerieren oder ihre Blicke lasziv wirken – somit eine dauerhafte sexuelle Bereitschaft signalisiert wird.
Style PASS: Eine etwas althergebrachte Weltsicht!
Ja. Nicht nur die Reduzierung des weiblichen Körpers als sexuelles Objekt ist diskriminierend, sondern auch die stereotypische Darstellung einer dualistischen Sichtweise der gegensätzlichen Geschlechter (Männer auf der einen Seite und Frauen auf der anderen). Im Vergleich werden Männer häufiger als Frauen als intelligent, mutig, mächtig dargestellt. Männer führen, entscheiden, handeln. Dazu kommt noch, dass Frauen bei bestimmten Produkten – aufgrund von stereotypischen Rollenbildern – erst gar nicht als Zielgruppe betrachtet werden. Bei Werbung für Autos oder Werkzeug tauchen Frauen beispielsweise selten als Fahrerinnen oder Handwerkerinnen auf. Sie sind stattdessen – wenn – in sexualisierter Form dargestellt, um die Aufmerksamkeit der männlichen Zielgruppe zu erregen.
Style PASS: Es gibt auch andere Beispiele. Aktuell heißt das Wort der Stunde „Diversität“: Vor Jahren brachte sich bereits „Dove“ ins Gespräch, indem die Marke mit „übergewichtigen“ Models warb. Aktuell findet man Models mit Pigmentstörungen, tätowierte Models, sichtbar Homosexuelle, Frauen mit kurzen Haaren, Farbige oder andere „Typen“ in der Werbung, die vor wenigen Jahren noch nicht „gesellschaftsfähig“ gewesen wären. Wie bewertet TERRE DES FEMMES diesen Trend?
Grundsätzlich bemüht sich „inklusives“ oder „diverses“ Marketing um die Schaffung einer neuen visuellen Kultur, die repräsentativer die Gesamtbevölkerung darstellt. Im Gegensatz zum konventionellen Marketing, das auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe abzielt, wird mit „Diversität“ versucht, unsere verschiedenen Identitäten, Unterschiede und Herkünfte in der Werbung zu repräsentieren. Dies ist ein wichtiger Schritt weg von der Darstellung unerreichbarer und nicht repräsentativer Schönheitsstandards und Rollenklischees.
Dieser Trend kann, muss aber nicht automatisch gegen den inhärenten Sexismus im Werbesektor wirken. Da sich Diversität zu "verkaufen" scheint, machen sich einige Vermarkter ihn zunutze, um uns den "Feminismus" wieder zu verkaufen. Mit der Zunahme an Vielfalt der gezeigten Models verschwinden nicht automatisch die Strukturen der Entscheidungsfindung und die gängige Annahme von „sex sells“. Auch wenn es eine verstärkte Repräsentation verschiedener Menschen in ihrer gesamten Vielfalt an äußerer Körpermerkmalen und Identitäten gibt, sollte man nicht davon ausgehen, dass sich dadurch die aufreizende Körpersprache und Objektivierung von Körperteilen weiblich gelesener Menschen konsequent ändert.
Style PASS: Was sollte getan werden?
Es geht nicht nur darum, dass einige Unternehmen mehr repräsentative und vielfältigere Models einstellen, sondern darum, dass Werbung – ob für ein Produkt, eine Stellenausschreibung oder ein Reiseziel – nicht diskriminierend ist, vielmehr dazu beiträgt Rollenklischees abzubauen und Gleichberechtigung zu fördern. Dazu gehört auch, über die subtileren Botschaften der Körpersprache zu reflektieren und zu hinterfragen, wer wie und in welcher Art von Werbung (nicht) dargestellt wird.
Style PASS: TERRE DES FEMMES appelliert an den Vorbildcharakter von Werbung. Eines der beliebtesten Unterhaltungsformate für junge Mädchen in Deutschland, Germanys next Topmodel (GNTM), setzt aktuell auf Diversität. Das ist dann dieselbe Show und Chef-Moderatorin, die vor wenigen Jahren jungen Frauen noch explizit Diäten und rigorose Umstylings als essentiell für beruflichen Erfolg angeraten haben. Bigotterie?
Grundsätzlich ist die Entwicklung, „Diversität“ zu zeigen, als eine positive Reaktion auf sich verändernde gesellschaftliche Forderungen und Umstände zu bewerten. Indem sich GNTM auf Diversität einlässt und in ihr Sendungsformat integriert, zeigt GNTM seinem Publikum genau das, was sie sehen möchten und bekommen dadurch sowohl von den Teilnehmenden als auch von den Zuschauer*innen sehr viel Anerkennung.
Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass das Publikum und die Verbraucher*innen heute eine gewisse Macht haben, Prozesse zu beeinflussen. In diesem Fall: Wie Models und die zu verkaufenden Produkte im Fernsehen und in der Werbung dargestellt werden sollten. Mit dem Negativpreis – dem „Zornigen Kaktus“ – macht TERRE DES FEMMES nicht nur darauf aufmerksam, dass sexistische Werbung immer noch präsent ist, sondern ermutigt auch die Verbraucher*innen, ihre Meinung direkt zu äußern und die Unternehmen damit zu konfrontieren, dass sexistische Werbestrategien nicht akzeptabel sind.
Style PASS: „Diversität“ als neuer Marketing-Trick?
Letztendlich ist wichtig zu durchschauen, dass GNTM eine Sendung ist, die durch und durch inszeniert ist, um Einschaltquoten zu generieren und damit die Geldmaschinerie anzukurbeln. Nichts wird dem Zufall überlassen, alles ist durchchoreografiert, um den Beautymarkt zu dienen. Mädchen und junge Frauen werden nach wie vor als begehrenswerte Menschen allein durch ihr äußeres Erscheinungsbild dargestellt. Sie sind Objekte der TV- und Beauty-Industrie. Diversität ist hier Mittel zum Zweck.
Style PASS: Besteht die Gefahr, dass vor lauter political und / oder feministischer Correctness Denkverbote ausgesprochen werden?
Wenn das entscheidende Ziel „Antidiskriminierung“ im Fokus steht und wir dadurch das Bewusstsein schärfen, tatsächliche Diskriminierungen und strukturelle Ungleichheiten aufzudecken und zu bekämpfen, ist sehr viel gewonnen. Zu weit geht es immer dann, wenn feministisch denken gleichgesetzt wird mit Diskriminierung anderer Menschen, weil diese nicht gleichermaßen mitgedacht und sichtbar gemacht werden. Menschen sollten sich für bestimmte Zielgruppe einsetzen dürfen, ohne der Anfeindung ausgesetzt zu sein, damit diskriminierend und/oder ausgrenzend zu wirken.
Style PASS: Wie sollte Werbung nach Meinung von TERRE DES FEMMES Frauen darstellen?
Frauen sollten in erster Linie als Menschen in der Werbung dargestellt werden. Sie sollten inhaltlich mit dem Produkt in Verbindung gebracht werden und damit das Produkt und somit sich selbst aufwerten. Die Gesellschaft soll Frauen in der Werbung als kompetente, kluge, fröhliche, mutige, kreative Menschen wahrnehmen, die Entscheidungen treffen, Wissen übermitteln, unsere Gesellschaft mitgestalten, bereichern, überraschen und keinen vorgefertigten ihnen zugeordneten Rollenklischees entsprechen.
Style PASS: Der „zornige Kaktus“, was verbirgt sich dahinter?
Beim „Zornigen Kaktus“ handelt es sich um einen Negativ-Preis, den TERRE DES FEMMES jährlich Unternehmen verleiht, die mit einer besonders frauenfeindlichen, sexistischen Werbung aufgefallen sind. Jede und jeder kann mit Hilfe unseres Formulars ein Foto von sexistischer Werbung einreichen und diese somit für unseren Negativ-Preis nominieren.
Uns ist wichtig, dass wir uns als Gesellschaft frauenfeindliche Werbung nicht mehr gefallen lassen. Sexistische Werbung stellt männliche Dominanz, Heterosexualität, Rollenklischees als gesellschaftliche Norm dar und reproduziert somit vermeintlich legitimierte Machtverhältnisse, Ungleichheiten und Diskriminierungen. Wir ermutigen daher alle Menschen mit Hilfe des „Zornigen Kaktus“ dagegen aktiv zu werden und machen auf unserer Homepage auch auf andere Beschwerde- und Protestmöglichkeiten aufmerksam.
