Sports & Politics

Kick it like Concordia
In Berlin sorgt momentan ein Verein für Furore, der explizit auf Integration im Mädchenfußball setzt, damit Erfolg hat – und den einen oder anderen Neider auf den Plan ruft.
Style PASS hat Concordia Wilhelmsruh besucht. Eine Berliner Fußballmilieustudie!
Vereinspräsident Uwe Schmitt begrüßt im jugendlich-sportlichen, dunkelblauen Sakko über dem weißen Poloshirt jeden mit Handschlag am Spielfeldrand als die Concordia-Mädchenfußballvereine (B-Juniorinnen Landesliga und C-Juniorinnen Bezirksklasse) am Sonntag Mitte Mai unter der prallen Sonne Berlins überzeugend gewinnen. Dennoch nimmt sich der kommunikative Schmitt Zeit und plaudert mit Style PASS bei einem Glas Berliner Rotkäppchensekt über Integration, Politik und Spielzüge. Erfolg muss schließlich gefeiert werden!
„Ist der auch ohne Alkohol?“, zischt da eine Besucherin Schmitt an, schließlich gilt es als ungeschriebene Fußballregel, bei Jugendspielen am Spielfeldrand weder zu rauchen noch zu trinken. Schmitt ist genervt: „Ich würde nicht auf die Idee kommen, um 14 Uhr erwachsene Menschen wegen einem Glas Sekt von der Seite anzumachen!“
Ja, Schmitts liberale Haltung zum Leben ist bei jedem seiner Moves und kurzen aber herzlichen Gesprächen mit Trainern, Eltern, Funktionären der Gegenmannschaften und last but not least den kickenden Mädchen zu spüren: „Die Mädels sind einfach nur cool!“, sagt Schmitt an diesem Tag gegenüber Style PASS mindestens so oft, wie der Ball von den Spielerinnen von Concordia Wilhelmsruh souverän Richtung Tor manövriert wird.
Schnell und kombinationsstark
Der Ausländerinnen-Anteil der Spielerinnen von Concordia Wilhelmsruh, dem 1895 gegründeten Verein im Berliner Stadtteil Wilhelmsruh, liegt bei etwa 80 Prozent. Insbesondere kommen Eltern der Kickerinnen aus der Türkei oder Afrika: „Es läuft prima, der Spirit im Team ist super, und die Mädchen gehen nicht nur untereinander mega respektvoll miteinander um, sondern auch gegenüber Trainer und den Mädchen aus den anderen Mannschaften!“, unterstreicht Schmitt. Das scheint ihm wichtig sein zu betonen. Denn das eine oder andere Vorurteil muss Concordia Wilhelmsruh offenbar aushalten: „Unsere Trainer und ich stellen uns vor die Mädchen, versuchen sie zu schützen, so dass sie sich ganz auf ihre Skills am Ball und ihre persönliche sportliche Weiterentwicklung konzentrieren können!“
Im Hinrundenspiel gegen Chemie Adlershof, einem traditionsreichen „Ost“-Verein (in Adlershof war in der DDR die Berlin-Chemie als wirtschaftsstarkes Pharma-Unternehmen mit Kontakten zu Ländern des RGW und auch zu westlichen Staaten ansässig) musste dreimal der Krankenwagen gerufen werden, da Spielerinnen von Adlershof zu Boden gingen: „Die sind von alleine hingefallen!“, meint Schmitt. Vors Sportgericht ging's dennoch, Concordia Wilhelmsruh würde zu aggressiv auftreten – 3 Punkte Abzug gab's vom Verband.
Beim Rückrundenspiel ist auf dem Platz davon nichts zu spüren. Die schwarz gekleideten Concordia-Girls sind lediglich schneller, wendiger und kombinationsstärker als ihre Konkurrenz von Chemie Adlershof. Doch der Trainer von Chemie Adlershof schaut grimmig Richtung Schmitt: „Nicht, dass das heute nochmal weiter geht!“, sagt Schmitt sichtlich genervt.
Der Concordia-Trainer der Landesliga-Spielerinnen Abdellatif ElKinani kommt ursprünglich aus Marokko und tritt ruhig, aber bestimmt am Spielfeldrand auf. „Halt die Fresse hat die eine Spielerin zu mir gesagt, aber ich hatte gar nichts zu ihr gesagt!“, behauptet eine Concordia-Spielerin nach dem 3 zu 1 gewonnenen Match: „Lass Dich einfach nicht provozieren, immer ruhig bleiben, egal was jemand auf dem Platz zu Dir sagt!“, sagt Abdellatif ElKinani freundlich, aber klar zu ihr.
Marokkanische Diplomatie und Party
„So sind die Marokkaner“, lacht Schmitt und ergänzt: „Marokkanische Diplomatie ist eines unserer Erfolgsrezepte!“ Schmitt geht mit Style PASS hinter ein Gebäude und zündet sich eine Zigarette an: „Das sollen die Mädels natürlich nicht nachmachen“, sagt Schmitt mit einem Augenzwinkern und überlegt, wie's weitergeht bei Concordia: „Der Spaß soll nicht zu kurz kommen – natürlich gibt’s eine Party im Juni und überhaupt, das macht doch so viel Spaß, den Mädels zuzuschauen, wäre doch auch was für Sky oder so, als Unterhaltungsformat, dass man die Mädels kennenlernt und Mädchenfußball noch attraktiver macht!“
Schmitt scheint kein Freund kleiner Ideen zu sein. „Germanys next Top-Verein!“, schlägt Style PASS als Titel vor: „Ja, genau“, lacht Schmitt, „sehen doch auch super aus, die Mädels!“ Eine Spielerin hat sich ihre Haare in der Mitte gescheitelt und zu zwei praktischen Hörnchen nach oben gebunden. Der sichtlich stolze Papa filmt vom Spielfeldrand mit. Ansonsten scheint Schmitt aber herzlich wenig mit weiblichen Rollenklischees anfangen zu können: „Wir müssen als Verein mithelfen, die Mädchen stark zu machen. Nach wie vor gibt es Zwangsverheiratungen und ähnliches!“
Beim anschließend von Style PASS besuchten Bezirksklasse-Spiel sind gleich drei der Spielerinnen in der Berlin-Auswahl, und eine Spielerin aus Ghana wurde kürzlich vom DFB-Talentscout näher unter die Lupe genommen: „Die Mädels sind einfach klasse, einfach cool!“, sagt Schmitt ein letztes Mal, bevor sich Style PASS von ihm verabschiedet.