Sports & Politics

„Gleichwertiger Bestandteil des Profifußballs“
Style PASS online: Aktuell fordert „Unsere Kurve“ in einem Positionspapier, „Fußball als Publikumssport“, eine stärkere Wertschätzung der Fans seitens der Vereine. Welche Erfahrungen und Vorfälle führten dazu, dass „Unsere Kurve“ nun mit diesem Papier an den Start geht?
Helen Breit: Es geht nicht nur um Wertschätzung. Es geht um eine grundlegende Anerkennung von Fans und Zuschauer*innen als gleichwertiger und wertvoller Bestandteil des Profifußballs. Denn erst die große Resonanz der Menschen ermöglicht den Profifußball. Auch finanziell gesehen. Immer wieder wird Fans der Anspruch auf Mitgestaltung abgesprochen, sie sollen den Profifußball konsumieren, ihn aber nicht kritisieren und bitte auch nicht verändern wollen. Nach wie vor werden vor allem aktive Fans in der Öffentlichkeit als Störer, Chaoten oder sonst etwas diskreditiert. Menschen wird das Fansein abgesprochen, es wird zwischen guten und schlechten Fans unterschieden. Damit muss endlich Schluss sein.
Style PASS online: Was sollten die Vereine konkret machen, um die Faninnen und Fans stärker Wert zu schätzen?
Wir empfehlen die Entwicklung einer Leitlinie über ein Verständnis der Bedeutung und Wertigkeit von Fans und Fankulturen auf Grundlage unserer Ausarbeitung. Dieses soll dann handlungsleitende Grundlage für Vereine und Verbände bei allen Entscheidungen und Maßnahmen werden. Außerdem müssen Faninteressen strukturell und institutionell besser berücksichtigt werden. Hierfür schlagen wir die Neufassung des Club-Fan-Dialogs und die Ausweitung auf die 3. Liga vor. Außerdem die Gründung einer Kommission „Fans & Fankulturen“ bei DFB und DFL. Eine Kommission ist das höchste beratende Gremium, das es bei den Verbänden gibt. In den 26 DFB-Kommissionen und Ausschüssen findet sich bis heute keine wieder, die Fußballfans unabhängig von Themen wie Sicherheit in den Blick nimmt. Bei der DFL gibt es überhaupt keinen Ausschuss oder Kommission, die Fans und Fankulturen zum Thema hat.
Style PASS online: Sie weisen auf die „Diversität“ der Fans hin. Wie könnte eine Fankultur aussehen, die diese Diversität abbildet. Gibt es konkrete Beispiele?
Die Fankultur bildet diese Diversität bereits jetzt ab! Wir haben in Deutschland so viele verschiedene Arten Fan zu sein. Das reicht im Stadion von Sitzplätzen zu Stehplätzen, von VIP-Fans oder unorganisierten Fans über Fanclubs hin zu Ultragruppen. Außerhalb des Stadions entwickeln sich weitere Formen des Fan-Daseins. Das ist das wunderbare an Fankultur: Sie ist selbstbestimmt. Jeder und jede entscheidet selbst, wie sie oder er sein Fandasein ausleben will. Deshalb braucht Fankultur Freiräume zur Entwicklung und Bedingungen, die diese Vielfältigkeit ermöglichen. Ohne diese unterschiedlichen Fanarten gegeneinander auszuspielen Und ohne eine Hierarchisierung vorzunehmen.
Style PASS online: Hartz IV und Altersarmut prägen in Deutschland streckenweise leider die Lebenswelten mancher Menschen. Sind die Kartenpreise für diese Bevölkerungsgruppen angemessen?
Aktive Fans setzen sich schon lange für sozialverträgliche Eintrittspreise ein. Die prominenteste Initiative war „Kein Zwanni für nen Steher“. Dieses Ziel gilt weiterhin. Und die Deckelung von Eintrittspreisen ist nach wie vor ein umkämpftes Thema. Natürlich gehört es da auch dazu, dass Sitzplätze in günstigen Kontingenten verfügbar sind. An diesem Beispiel wird deutlich, dass aktive Fans in ihrer fanpolitischen Arbeit nicht nur für sich einstehen, sondern sich Themen annehmen, von denen alle Stadionbesucher*innen profitieren. Deshalb ist es so wichtig, dass Vereine und Verbänden organisierten Fans nicht nur Gehör schenken, sondern ihre Anliegen in ihre Entscheidungen miteinbeziehen.
Style PASS online: Der Frauenfußball findet in der öffentlichen Wahrnehmung bei weitem nicht so statt wie der Männerfußball. Müssten Vereine stärker in die Tasche greifen, um das Frauenfußball-Marketing voran zu bringen? Oder woran liegt’s?
Ich fände es fatal, wenn Frauenfußball nur deshalb gefördert wird, weil man die Hoffnung hat, auch damit immense Summen zu verdienen. Ist die Förderung von Frauenfußball erst dann angezeigt, wenn man mit ihm ähnliche Summen verdienen kann, wie mit Männerfußball? Da frage ich mich, wo die Förderung des Sports und der Gleichberechtigung bleibt. Für mich geht es hier um eine grundlegende Anerkennung und um die Frage von Gleichwertigkeit. Der Männerfußball setzt enorme Summen um – damit sehe ich ihn in der Verantwortung, den Frauenfußball zu fördern.
Style PASS online: Wenn Sie drei Wünsche an die Vereine bzw. den DFB hätten, was wären diese?
Da reicht mir einer: Die Erklärung von „Unser Fußball“ vollständig und ohne Abstriche umsetzen. Sagen wir bis 2022, um Vereinen und Verbänden ein bisschen Zeit zu lassen. *SMILEY*