Sports & Politics

Fans für angstfreies Klima
Der sportpolitisch engagierte Dario Minden („Unsere Kurve, u.a.) ist momentan an einer Initiative beteiligt, die Fußballer*innen beim „Coming Out“ unterstützen will. Mit „Wir an Eurer Seite“ wollen verschiedene Fan-Organisationen auf ein nach wie vor verklemmtes Klima im Profisport hinweisen. Style PASS sprach mit Minden übe die Hintergründe der Aktion.
Style PASS: Klare Männlichkeitsbilder, sie gelten nach wie vor im Spitzenfußball?
Dario Minden: Das ist natürlich in der Absolutheit schwer zu beantworten und auch der Spitzenfußball der Männer wandelt sich ein wenig. Aber es lässt sich schon erkennen, dass an ganzen vielen Stellen im Fußball – in der Spitze wie in der Breite - Stereotype von vermeintlich besonders männlicher Stärke und weiblich konnotierter Schwäche auftauchen und leider auch weiterhin in die Köpfe von Kinder und Jugendlichen gepflanzt werden und auf ganz vielen Ebenen Unheil anrichten. Eine Ebene davon ist, dass Nicht-heterosexuell-Sein als weniger männlich und damit als schwächer und folglich als schlechter wahrgenommen wird. Diese patriarchalen und schlicht falschen Vorstellungen sind die Wurzel des Problems.
Style PASS: Was will die Initiative erreichen? Wer macht mit? Bereits erste "Erfolge" oder Feedback auf die Kampagne?
Das Ziel der Initiative ist eine starkes Signal der Unterstützung von Fans an Spieler und generell an Akteure im Profifußball zu senden. Unter „wiraneurerseite.de/“ kann jede*r die Erklärung mitunterzeichnen, sowohl als Einzelperson als auch für eine Gruppe/Fanorganisation, die dort dann auch nach Vereinen sortiert gelistet wird. Die Zahl der Unterzeichnenden wächst stetig, das ist schön zu sehen. Und persönlich bin ich mir sicher, dass allein die Kenntnisnahme dieses Briefes schon viele fußballliebende Menschen aus dem LGBTQI-Spektrum, seien es aktiv Spielende oder Fans, bestärkt hat.
Style PASS: Woran machen Sie es fest, dass "im Männerfußball offenbar immer noch kein Klima vorherrscht, das es Profifußballern aktuell nicht ermöglicht, ihre geschlechtliche und/oder sexuelle Orientierung offen zu leben?"
Das Gesamtbild ist erdrückend. Es gibt weltweit nur sieben als schwul oder bi geoutete männliche Fußballprofis. All die anderen sind offenkundig in einer Situation, in der ihnen das belastende Versteckspiel als geringeres Übel im Vergleich zu drohenden Konsequenzen eine Comingouts erscheint.
Style PASS: Welche drohenden Konsequenzen vermutet die Initiative bei einem Coming-Out?
Jeder Mensch hat eine eigene Perspektive, deswegen trägt jeder ungeoutete Spieler sicherlich ein individuelles Sorgenpaket mit sich! Was gewiss darin vorkommt: Die Angst vor Anfeindungen und Ausgrenzung, vor verletzenden Sprüchen, Gesten und Gesängen, die Angst vor einem Label als „der“ schwule Fußballer, der dann auch noch besonders unter der Lupe steht. Oder man denke an ein Schicksal, wie das von Colin Caepernick, der als NFL Star bei der Hymne kniend auf strukturellen Rassismus in den USA aufmerksam machte. Obwohl viele ihn für seinen Mut bewundern, hat er nie wieder einen neuen Verein gefunden. Das ist nach allem was ich einschätzen kann, ein sehr unrealistisches Szenario, aber das Macht die Ängste und Sorgen nicht weniger real. Und da soll unser Brief ansetzen: Er soll Ängste nehmen.
Style PASS: Gibt es Feedback von Spielern und Vereinen?
Von Vereinen gab es positives Feedback verbunden auch mit der Verbreitung des Briefes über ihre reichweitenstarken Social Media Kanäle. Spieler selbst halten sich verständlicherweise zurück.
Style PASS: Gibt es aktuelle Zahlen zu „Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit" in Deutschland?
Es ist nicht so einfach, eine so breites gesamtgesellschaftliches Problem mit eindeutigen Zahlen zu erfassen. Eine Zahl, die sich in mein Gedächtnis eingebrannt hat, ist noch von einer globalen Meta-Studie aus dem Jahr 2018, in der berechnet wurde, dass LGBTIQ-Jugendliche ein vier- bis sechsmal so hohes Risiko haben, einen Suizidversuch zu unternehmen. Es herrscht ein kaltes Klima der Angst, auch in unserem Land. Und was für manche nur wie ein dummer Spruch klingt, löst für andere existenzielle Krisen aus. Und es bleibt bei weitem nicht nur bei Sprüchen: Die aktuellsten Zahlen des BMI besagen, dass es 2022 einen 15 prozentigen Anstieg von registrierter Hasskriminalität auf LGBTIQ-Personen gab. Da ist von 1.005 Straftaten (230 Gewaltdelikte) die Rede, wobei offenkundig erscheint, dass es hier leider eine sehr hohe Dunkelziffer geben dürfte.
Style PASS: Sie wollen ein Coming Out unterstützen? Wie können Menschen ermutigt werden, selbstbewusst zu ihrer sexuellen Orientierung zu stehen?
Immer wieder Zeichen der Akzeptanz und Unterstützung senden, bei LGBTIQ-Feindlichkeit nicht schweigen! Das wird der Weg sein, der irgendwann mal dahinführt, dass sich etwa schwule Fußballprofis sicher genug fühlen, einmal gemeinsam durch den Medienrummel zu gehen, den ein Comingout nun mal mit sich führen würde – um danach Ruhe zu haben und sich endlich, endlich nicht mehr verstecken zu müssen.