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„Nicht wie bei Rosamunde Pilcher!"

 

Auf Youtube ist Christian Hemschemeier schon länger vielen Menschen, die Beziehungsprobleme haben oder immer wieder auf den oder die „Falsche“ treffen, bekannt: Mit seinen fachkundigen und witzig-bodenständigen Clips trifft er offenbar den Nerv – Tausende von Klicks sammeln die Videos regelmäßig ein. Style PASS sprach mit dem Diplom-Psychologen Christian Hemschemeier über die Liebe und warum diese ganz anders als in einem Film der Romantik-Autorin Rosamunde Pilcher sein sollte.

Style PASS: Auf Youtube haben Ihre „Liebeschip“-Videos viele tausend Fans. Was war Motivation, Ihre Mitmenschen in Sache „Liebe & Beziehung“ zu beraten?

Christian Hemschemeier: Ich bin seit 2000 Paartherapeut und kann das selbst komischerweise gar nicht zu 100 Prozent beantworten! Mich hat das Thema einfach schon immer interessiert - es ist auf jeden Fall eine sehr lebendige Arbeit. Manchmal anstrengend und kleinteilig, aber immer spannend.

Style PASS: Braucht es dazu mehr als ein Diplom in Psychologie? – Ihre Videos, Bücher und Workshops sind ja sehr erfolgreich, was ist Ihr „Geheimrezept“.

Ich denke, der Switch in die Öffentlichkeit kam 2017 mit dem Thema „toxische Beziehungen“. Den Begriff gab es damals nicht und ich habe ihn besetzt, weil ich selbst in solchen Beziehungen war. Ich habe gemerkt, es gibt einen Typ von Beziehungen, der durch unsere Standardpaartherapien gar nicht abgedeckt wird. Ich habe dazu im Ausland recherchiert. So hat sich mein Youtube-Kanal ausgebaut und ist bekannter geworden, weil ich recht früh dieses Thema besetzt habe. Ich denke, ich bin recht tief in dem Thema und versuche die Themen so zu präsentieren, dass sie mit dem gesunden Menschenverstand nachvollziehbar sind.

Style PASS: Der gesunde Menschenverstand. Man muss manchmal daran erinnert werden, gerade im Bezug auf die Liebe!

Genau!

Style PASS: Was sind toxische Beziehungen?

Das sind Beziehungen, in denen wir uns so total darin verlieren: Nicht mehr schlafen, nicht mehr essen, nicht mehr arbeiten können, wo wir das Gefühl haben, dass wir total von der Beziehung besetzt sind. Da geht es oft um Bindungsangst, Verlustangst, Narzissmus, Co-Abhängigkeit. Zwei Menschen, die sich auf ungute Art und Weise verstricken.

Style PASS: Klingt nicht gut!

Ne, gar nicht!

Style PASS: Sie haben das Konzept der „Standards und Dealbreaker“ aufgestellt. Worum geht’s da und wie haben Sie das Konzept entwickelt?

Das ist tatsächlich Kern meiner Arbeit, und da geht es letztendlich um ganz einfache Sachen: Dass man sich einfach erst einmal aufschreibt, was ich für Beziehungsziele habe! Das können ganz einfache Sachen sein, wie „Wie oft will ich jemanden sehen?“, „Wie ist das mit der Sexualität?“, „Wie mit der Loyalität?“, „Kann ich mit meinem Partner offen reden?“. Meist fängt es andersherum an, dass wir jemanden einfach attraktiv finden und schnell in einer Dynamik drin sind, die uns nicht gut tut, nicht zu uns passt.

Style PASS: Eigene Klarheit muss geschaffen werden?

Ja! Deshalb die Aufteilung ins „Standards und Dealbreaker“. Diese Standards stelle ich mir für meine Vorstellung von „Beziehung“ auf und kann darüber mit meinem Partner*in sprechen. Dann gibt es noch die „Dealbreaker“, oder No-Gos, die nicht verhandelbar sind, so etwas wie „Gewalt“ oder „Lügen“. Ich empfehle immer: „Je weniger Du jemanden kennst, desto strenger sollten Deine Dealbreaker sein!“ So weiß ich ganz genau, was ich eigentlich will und muss nicht immer über den anderen nachdenken. Menschen machen sich oft zu viele Gedanken über die Motivation vom Fehlverhalten anderer, anstatt bei sich zu bleiben.

Style PASS: Die Emotionen machen uns manchmal blind für das Wesentliche?

Ja, wenn man in einer toxischen Beziehung drin hängt, ist man emotional oft extrem verstrickt, deshalb hilft das Konzept der „Standards und Dealbreaker“. Toxische Menschen haben keinen Bock auf Standards, wollen sich einfach nicht auf den Partner einstellen.

Style PASS: Bei toxischen Menschen kann man Standards nicht durchsetzen?

Ja, genau, selbst wenn es um so etwas Einfaches wie „Pünktlichkeit“ geht, finden diese Menschen oft Ausreden, warum das nicht geht.

Style PASS: Ich kannte mal einen Herrn, der chronisch zu spät kam. Auf meinen Hinweis, dass das so nicht geht, meinte er, dass ihn meine Kritik emotional „runterziehen“ würde. Ich blieb bei meinem Standpunkt, dass es sich seinerseits um Machoverhalten handeln würde; er war in der Politikbranche tätig und ich meinte zu ihm: „Wenn Du Dich beruflich mit einem Politiker triffst, kannst Du mir nicht erzählen, dass Du da auch unpünktlich bist – Du machst es bei mir nur, weil ich eine Frau bin und Du meinst, es Dir bei mir erlauben zu können!“

Ja, genau, so ist es! Meine Arbeit verfolgen überwiegend Frauen , die sich – aus meiner Sicht – oft meist unter Wert verkaufen!

Style PASS: Alle reden von Gleichberechtigung. Sie werden es bewerten können: Führen die Deutschen gleichberechtigte Beziehungen?

Ich glaube nicht, dass wir schon überwiegend gleichberechtigte Beziehungen führen. Es ist aber ein extrem komplexes Thema und man kann nicht mehr sagen, dass in allen Bereichen nur die Frauen schlechter dran sind. Auch Männer scheitern an strukturellen Problemen, etwa dass sie durch eine Scheidung ihre Kinder nicht mehr sehen. Wir sollten die Gräben nicht vertiefen, sondern eher Verständnis füreinander schaffen.

Style PASS: Ein Rezept für eine glückliche Beziehung!

Beziehungen dienen meiner Ansicht nach dazu, dass wir uns weiterentwickeln. Der Anspruch an eine Beziehung, dass sie uns die ganze Zeit glücklich macht, ist meiner Ansicht nach zu hoch. „Gute Kommunikation“ ist sicherlich wichtig, um immer wieder in gegenseitigen Kontakt zu kommen.

Style PASS: Große Internet-Partnerbörsen setzen auf „Matching Points“ und psychologische Tests. Zum einen frage ich mich, wie treffsicher diese Tests sind zum anderen müsste es doch dann eigentlich ganz einfach sein, den/die richtige Partner*in zu finden?

Jede Börse ist anders, und man sollte auch hinterfragen: „Welches Interesse hat die Börse eigentlich?“ Bei Tinder ist es z.B. so, dass sie einfach das Interesse haben, die Leute möglichst lange auf der Seite zu halten. Wenn das alles so toll funktionieren würde, würden, denke ich, nicht so viele Leute so schlecht darüber reden.

Style PASS: Also besser in „real life“ kennenlernen?

Das ist denke ich nach wie vor der „Goldstandard“. Lernt man jemanden über Freunde oder Job kennen, nähert man sich langsamer an. Es ist mehr Spannung mit im Spiel, man trifft sich vielleicht mal zum Essen, es ist nicht klar „Ist es überhaupt ein 'Date'? Es entwickelt sich. Bei den Online-Partnerbörsen ist die Erwartungshaltung natürlich hoch, den „perfekten“ Partner*in zu finden. Zudem zählen sowohl der „erste Eindruck“ und das „Bauchgefühl“ in der Liebe.

Style PASS: Manche Menschen glauben an die „große Liebe“ und den oder die „einen Richtigen“. Wie sehen Sie das?

Doch, das würde ich schon sagen. Aber das fühlt sich dann nicht so an, wie die Menschen denken. Bei toxischen Beziehungen sagt man ja auch: „keine Beziehung fühlt sich so richtig wie die falsche an!“ Vertrauen, „füreinander Einstehen“ muss sich entwickeln und ist nicht einfach da, nur weil man „verliebt“ ist. Die große Liebe gibt es schon, aber es ist nicht wie bei Rosamunde Pilcher!

Style PASS: Hoffentlich!

Haha!

Vielen Dank für das Gespräch!

 

 

Mit Christian Hemschemeier sprach Style PASS-Herausgeberin Eva Britsch

Style PASS will mehr Konzentration!

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