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Wundersamer Meistermacher

Dieses Buch sollte jeder gelesen haben, der sich ein bisschen intensiver mit den Gesetzmäßigkeiten des Profi-Fußballs beschäftigen möchte, als er über das übliche Klein-Klein der Fernseh-Strategen erfahren könnte. „Die Hansi Flick Story“ heißt das Paperback, verfasst hat es Christof Kneer. Der ist Redakteur in der Sportredaktion der Süddeutschen, und das ist ja auf jeden Fall eine gute Adresse. Jene national renommierte Zeitung nimmt nämlich nicht jeden, und der Münchner Superclub, arrogant und selbstbewusst bis zum Gehtnichtmehr, nimmt auch nicht jeden.
 
Im Untertitel steht „Die Geschichte eines Fußballwunders“, was einem zuerst etwas großmäulig vorkommen möchte, doch je länger sich der Leser hineinbegibt, desto weniger kann er loslassen. Denn Christof Kneer beschreibt aus der Nähe die erstaunliche Entwicklung eines Trainers, der – lange unterschätzt und eher im Hintergrund tätig – den stolzen Verein Bayern München zu einer saisonalen Titelflut geführt hat (sechs Stück), wie ihn der Verein weder unter Jupp Heynckes noch unter Louis van Gaal, noch unter den italienischen Branchengrößen oder dem anerkannten Meistermacher Guardiola je erreicht hat. Sechs auf einen Streich, das sind fast so viel wie ein tapferes Schneiderlein im Märchen geschafft hat. Ach so, doch. Im gerade beendeten Jahr kam noch ein Meistertitel hinzu, und „Hansi“ Flick kann mit Bescheidenheit und Selbstbewusstsein ab Herbst seine neue Funktion als Bundestrainer der Herren-Nationalmannschaft antreten.
 
Kneer beschreibt und beleuchtet die Selbstfindung eines Fußball-Verrückten, seine lang unterschätzte Rolle etwa als Co-Trainer des „Jogi“ Löw, seine innere Einkehr, wenn er merkt, dass die Sportdirektoren-Posten beim DFB und in Hoffenheim (wo er viele Jahre zuvor den Trainerposten verloren hatte) nicht das sind, was er wirklich braucht. Aber was braucht er? Den Co-Trainer-Posten bei Niko Kovac? Den haben sie bei den Bayern rausgeschmissen, obwohl er die Doppeltrophäe Meisterschaft und Pokal errungen hatte. Aber er hatte offenbar dennoch die hoch bezahlte Mannschaft destabilisiert, die Individuen auseinander dividierten und der Mannschaft kein wirkliches System verpasst. 5 : 1 heißt es Anfang November 2019 in Frankfurt. Für Frankfurt, jenen Verein, den Kovac zuvor trainiert hatte. Eine Klatsche.
 
Ein Zwei-Spiele-Trainer muss her. Dann ein „Bis-auf-Weiteres-Trainer“. Flick darf weitermachen. Die großmächtigen Bosse, fast erstickt in ihrer Bedeutung, kommen nicht mehr herum um den „Hansi“ aus Bammental hinter den Bergen bei den sieben Zwergen, wo ein kleiner Fluss regelmäßig überschwappt. Ebenso unterschätzt in seiner Wirkung wie eben jener bodenständige „Hansi“. Der hat Empathie. Weniger für sich selbst, als für Spieler und Mitarbeiter. Die spüren das und spuren. Kneer dröselt diese Entwicklung auf, von Spiel zu Spiel, wie sich die Mannschaft wiederfindet, wie sie ihr Selbstbewusstsein ausgräbt, wie sie sich das zurückholt, was ihr zusteht. „We are the Champions“, weil sie wieder eine Einheit werden, in der sich jeder auf jeden verlassen kann, und auch Reservespieler sich benötigt fühlen.
 
Hansi hat's drauf, und Autor Christof Kneer reibt sich selbst verwundert die Augen und warnt davor, die Story könnte in Richtung Kitsch abgleiten. Aber wundersame Geschichten haben das halt so an sich, meint Style PASS.
 
 
Christof Kneer: Die Hansi Flick Story. C. H. Beck, 222 Seiten, 16.95 Euro

Der Journalist Eckhard Britsch hat das neue Buch gelesen

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