People, Leute & VIPs

Starrsinn bis zum Ende
Eine beeindruckende Frau ist Leni Riefenstahl in jedem Fall. Von vielen nach dem zweiten Weltkrieg gehasst, von vielen dafür verehrt, schöne Körper in beste Szene gesetzt zu haben und eine Welt voller Stärke und Ästhetik, ohne Schwächen und Schattenseiten, kreiert zu haben.
Auch wenn das Hakenkreuz Riefenstahls Bildsprache garnierte.
Nach dem Krieg wird sie ihr Leben weiß waschen, wie sie es schon in ihren Filmen getan hat, Negatives einfach ausblenden: Im Film des Regisseurs Andres Veiel kommt das verstörend und brutal rüber - wer sich länger nicht mit dem Dritten Reich beschäftigt hat, dürfte diese konzise Aufarbeitung mit voller Stärke treffen.
Verstörend deshalb, weil anhand der Figur Leni Riefenstahl eine ganze Gesellschaft auseinander und in sich zusammen fällt.
Im August 1902 geboren, vom Vater körperlich extrem gezüchtigt und nicht ernst genommen, macht die erwachsene Leni dann nur noch das, was sie für richtig hält und lässt sich ungern reinreden - und hat Erfolg dabei: Die Filmemacherin inszeniert erst Berge, dann die NSDAP, avanciert zur germanischen Amazone, der die Männer zu Füßen liegen.
Steht ihr Leben einerseits für weibliche Emanzipation, anderseits für "Nicht-Hinsehen-Wollen", individuelle Vorteilsnahme und hammerharten Opportunismus.
Angetrieben von ihrer Willensstäre, Kreativität und einer vielleicht angeborenen Autorität scheint ihr alles zu gelingen, was sie anpackt! Bilder vom Dreh der Propagandawerke "Olympia" und "Triumph des Willens" zeigen eine agile Riefenstahl, ihr Bubikopf wirbelt ihr ins ausdrucksstarke Gesicht, mit den scharf geschnittenen, schmalen Lippen, der markanten Nase und den stets scharf eingestellten Augen, die scheinbar mühelos Menschen ins richtige Licht rücken und dann auf die Leinwand bannen.
Bei "Olympia" steht sie 30 Kammermännern vor!
Riefenstahl trägt als geniale Filmemacherin effektiv zum Erfolg der Nationalsozialisten bei. Nach dem Krieg werden ihre Filme, die sie für die Nazis drehte, gerne "Rattenfängerfilme" genannt: Zu plakativ scheint die Bildsprache, zu eindimensional positiv die Aussage, zu schön und heldenhaft die gestählten Körper. Riefenstahl reagiert darauf persönlich beleidigt und gekränkt.
Nach dem Krieg wird das mit Entnazifizierungsversuchen der Riefenstahl belohnt, doch die scheint renitent. Die intelligente und robuste Riefenstahl legt sich nach jahrelanger öffentlicher Abstinenz ein Narrativ zu ihrem Nazi-Erfolg zurecht, das sich wie ein eng umschlossener Stahlpanzer um ihre Rhetorik legt: 90 Prozent der Bevölkerung hätten Hitler gut gefunden, auf dem Reichsparteitag hätten Diplomaten aus aller Welt in der ersten Reihe gesessen, der charismatische Führer habe Verständnis für ihre Kunst gehabt und überhaupt trenne sie Kunst und Politik ohnehin.
Mit manchem hat Riefenstahl natürlich recht, etwa, dass es bei allen Olympiaden um trainierte Körper, Schnelligkeit, Konkurrenz und Erfolg ginge. Sie habe die Körper vielleicht besser inszeniert, als andere Kolleg*innen, aber nichts erfunden, bearbeitet oder dazu gedichtet. Und die Nazis fanden halt alle gut. Oder zumindest 90 Prozent. Die zehn Prozent tauchen nicht auf, wenn die Menge frenetisch zum Hitlergruß salutiert.
Geschickt verkauft sie sich nach dem Krieg sogar als Opfer, habe sie doch nur wie viele andere auch die positiven Seiten des Nationalsozialismus gesehen und gespürt, fühle sich nun von Hitler und dem Propagandaminister Goebbels um ihre Vergangenheit und Erinnerungen beraubt, spüre Wunden, die "nie heilen" würden.
Verantwortung übernimmt sie nicht!
So ganz unverständlich ist Riefenstahls Sympathie für die NSDAP nicht, wird sie von den Nazis doch verhätschelt und umworben wie eine heilige Kuh: Adolf schickt langstielige Rosen zu den Filmfestspielen nach Cannes, Goebbels umwirbt Riefenstahl wie ein liebestoller Teenager, mit Speer ist sie, als er aus dem Gefängnis entlassen wird, weiterhin eng befreundet.
Riefenstahl widerspricht sich nach dem Krieg kurz, in der Darstellung dessen, ob sie eine Affäre mit Propaganda-Chef Goebbels gehabt habe oder er sie doch eher versucht habe mit "Gewalt zu nehmen".
Die Oper-Umarbeitung "Tiefland" wird jedenfalls mit damals unglaublichen sechs Millionen Reichsmark von den Nazis gefördert - nebenbei tobt der zweite Weltkriegt, als Leni Sinti und Roma aus einem Lager für die Filmarbeiten rekrutiert.
Diese werden später vorsichtshalber wieder raus geschnitten!
Dass eine intelligente und in die höchsten Nazi-Kreise top vernetze Frau wie Riefenstahl vom Judenhass in Deutschland nichts gemerkt haben soll, erscheint unglaubwürdig.
Ihre schräge Ausrede nach dem Krieg? Ihr jüdischer Arzt sei bereits 1938 nach Amerika emigriert.
Nach dem Krieg säumen Gerichtsprozesse um das Renommee der taffen Leni ihren Alltag: Forsch und uneinsichtig tritt diese da auf.
Ein vierzig Jahre jüngerer Lover und Assistent in Personalunion begleitet sie dann in ihrer zweiten Karriere als vornehmlich Fotografin unter anderem der "Nuba" im Sudan. Die Bilder, die hier entstehen, kreieren einen faden Beigeschmack: In kolonialistischer Manier steht Riefenstahl mit einer Gerte erhört über den Schwarzen in Lendenschurz, die springen an ihr hoch, Leni wirft ab und zu Schokolade in die Menge und schlägt wenn ihr was nicht passt in die Menge.
Nach Afrika hat sie gut dotierte Werbeverträge aus Deutschland mitgebracht!
Den Persil-Karton drapiert sie zwischen den Schwarzen, die werden nicht gefragt, was sie davon halten - reichlich Geld gibt's für die geschäftstüchtige Leni, die den Firmen die Bilder für ihre Zwecke überlässt.
Der Film zeichnet ein wenig sympathisches Bild einer extrem willensstarken Frau, die sicherlich nicht wie eine instrumentalisierte Kreative wirkt - weder vor, während und nach dem Krieg.