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Starke, schwache Romy
Biografien sind über sie erschienen, Filme über ihr Leben gedreht worden, sie zeichnen das Bild einer willensstarken Frau, einer begnadeten Schauspielerin, Brüche sind dennoch Teil ihres Wegs in die Unvergesslichkeit.
Wer genau hinsieht, den überrascht dabei vielleicht das Changieren zwischen Stärke und Schwäche der Romy Schneider, die sich nie wirklich neu erfand, die immer sie selbst blieb, aber brachiale Kompromisse einging, wenn sie an die Liebe glaubte.
„J'aime, j'aime“, „Wenn ich liebe, liebe ich halt“, sagte sie einst mit gleichsam trotzigem wie fragendem Tonfall, als sie nicht verstand, warum die Männer, die sie liebte, sie vielleicht nicht so sehr liebten.
Ihre großen Augen weit geöffnet und ihr Gesicht scharf geschnitten, besser hätte es ihr kein Drehbuchautor auf die vollen Lippen texten können.
Der schöne Filou Alain Delon, der sie verließ und einfach ging, ohne ein Gespräch oder eine Erklärung. Respektlos der jungen Frau gegenüber, die für ihn ihr Leben auf den Kopf stellte, von der geliebten unschuldigen "Sissi" zur sexuell emanzipierten Frau mutierte, Theater spielte und scheinbar mühelos plötzlich Französisch plapperte. Später drehte sie wieder mit ihm und sagte: „Nichts ist kälter als eine tote Liebe!“ - wer mag ihr das geglaubt haben?
Der Intellektuelle, fast strenge Mann Harry Meyen, das Gegenprogramm zum Traumboy Alain. Meyen mit seinen Dämonen kämpfend, mit ihm bekam sie ein Kind, David, gab dem Sohn einen jüdischen Namen, denn Harry ist Jude im Nachkriegsdeutschland, das sich aus den Ruinen gerade neu zu erfinden sucht. Er sucht den Erfolg als Boulevardschauspieler und fand dabei Kino-Weltstar Romy. Plötzlich wollte sie von Emanzipation nichts mehr wissen, und der Verdacht liegt nahe, Meyen habe ihre künstlerische Sensibilität und Brillanz das eine oder andere Mal mit seinem intellektuellen Dozieren und subtiler Dominanz im Keim erstickt, dem Talent in der Ehe nur wenig Raum gegeben.
Das mag die Künstlerin Schneider gespürt haben, und irgendwann war ihr das Schauspielern wieder wichtiger!
Affären mit Kollegen sollen zum neuen Leben als gefeierter französischer Kinostar gehört haben. Sie heiratete wieder, manch einer machte sich über ihre Wahl lustig, und er mag auch wahrlich nicht beste Wahl gewesen sein: Der Sunnyboy Daniel Biasini, dem anzumerken ist, wie sehr er das Jetset-Leben an Romys Seite genießt. Romy gönnt es ihm, er sucht seine Rolle an ihrer Seite dennoch, versuchte sich als ihr Sekretär und Vater ihrer Tochter.
War sie gar immer die Stärkere von beiden? In einem intimen Interview mit der damals jungen Journalistin Alice Schwarzer soll sie sich beklagt haben, dass Männer Angst vor ihrer Stärke hätten, anstatt sich von ihr inspirieren zu lassen.
Das mag sie richtig reflektiert haben, allein was wäre die Lösung gewesen?
Männer, wie ihr Landsmann Helmut Berger, bisexuell und ebenfalls mit schauspielerischer Tiefe gesegnet, mögen sie verstanden haben. In einem recht aktuellen Interview sagt der gealterte Berger nur Gutes über „meine Romy“, ihre Ehrlichkeit, ihr freundschaftliches Temperament, mit dem sie ihn als jungen Schauspieler unterstützt. Die Kollegen berieten sich im Umgang mit kapriziösen Regisseuren; er zeichnet das Bild einer bodenständigen Frau und weniger einer komplizierten Diva.
Und dann der geliebte und ewig ferne Vater, der fesche Schauspieler Wolf Albach-Retty. Er war nie da, wenn sie ihn brauchte, hätte er sie schützen können, als Romy Schneider als Teenager vermutlich dem übergriffigen Verhalten ihres „Daddys“ Blatzheim ausgesetzt war. Unternehmer ist der im post-nazi-traumatisierten Deutschland, und so ganz anders als ihr wunderbar imaginierter Vater-Held.
Mit Romys Mutter Magda Schneider holte Blatzheim sich eine überzeugte Pragmatikerin an seine Seite, auf Empfängen zelebriert er den Wirtschaftswunder-Traum und das Gelingen der damals noch unüblichen Patchwork-Familie: Romy, ausstaffiert mit Tüll und keckem Lächeln, irgendwas zwischen Lolita und unbeholfenem Backfisch.
Romy und ihre Mutter. Auch dieses Verhältnis mag irgendwo zwischen Liebe und Verachtung changiert haben. Denn früh reflektiert Romy ihre Rolle als Schauspielerin in gesellschaftlicher Verantwortung. Hochgejazzt zur unendlich wunderbaren Kaiserin "Sissi", Frauchen, Schönheit, Kumpel, Mutter, Aristokratin, politische Beraterin, Romantikerin, Sinnsuchende, Projektionsfläche aus dem verkitschten Traumschloss, Ablenkung für all jene, die in die Kinos pilgern, anstatt sich mit dem Dritten Reich und individueller Verantwortung auseinander zu setzen.
Romy versteht ihre Generation und fragt sich, für was sie stehen möchte. Einen vierten "Sissi"-Teil und eine damit verbundene Millionen-Gage schlägt sie aus. Prinzessin sein passt nicht in das Repertoire der reflektierten jungen Frau.
Videoaufnahmen der Mutter Magda zeigen sie in der Nähe Hitlers auf dessen Berghof – die damals bekannte Schauspielerin lebt ganz in der Nähe. Romy mag die Rechtfertigungen der Mutter nach dem Krieg nicht hören. Im Gespräch mit Alice Schwarzer soll sie sogar über eine Affäre der beiden Mutmaßungen angestellt haben. Das erscheint vor dem Hintergrund Hitlers verklemmtem Verhältnis zum anderen Geschlecht nicht unbedingt plausibel.
Dennoch: Kann man eine Mutter lieben, die mit dem Teufel schlief, mag das Tête-à-Tête auch nur Romys Phantasie entsprungen sein?
Magda Schneider, eine Opportunistin, passte sich auch nach dem Krieg schnell an, und ab welchem Zeitpunkt Magda mehr von der begnadeten Romy profitierte, als die junge Frau in emotionaler Hinsicht von ihrer Mutter, bleibt offen.
Denn früh weiß Romy, dass sie Schauspielerin werden will. Und sie will es sehr. Spielt so unendlich leicht und dennoch ernst. Verzaubert mit ihrem natürlichen Charme erst ihre Fans und dann die Männerwelt.
Romy und die Männer. Romy und die Liebe.
Eine Opportunistin war Romy nie, auch nicht in der Liebe. Manchmal vielleicht schwach, auch wenn sie so stark war.
Style PASS-Lesetipp: Wunderschöne Bilder aus Romys Leben findet Ihr im Bildband „Adieu Romy“. Auch empfehlenswert: „Romy Schneider: Mythos und Leben“ – die Neuauflage von Alice Schwarzers großer Biografie mit einem aktuellen Vorwort. Romy Schneider zu Alice Schwarzer: „Wir sind die beiden meistbeschimpften Frauen Deutschlands.“