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„Sport und Kunst – für mich die ideale Kombination“

Genderfragen, ungleiche Bezahlung von Frauen im Sport und last but not least blöde Sprüche, die der Frauenfußball hier und da bis heute kassiert: Die Schweizer Spielerin Rachel Rinast lässt das nicht kalt. Im Gespräch mit Style PASS online merkt man ihr die Bitterkeit gegenüber Ungerechtigkeiten an, aber auch die Freude am Sport. Rinast scheint ihren ganz eigenen Weg zu gehen: Blödsinn begegnet sie mit witziger Schlagfertigkeit, Ironie und anderen rhetorischen Punktlandungen – klar, dass es neben dem Sport da noch eine zweite Leidenschaft bei ihr gibt: Comedy!

Style PASS online: Erfolgreich am Ball und ab und zu machen Sie auch noch Comedy bzw. Rap. Was macht mehr Spaß?

Rachel Rinast: Ich habe nie gerappt! Ich mache beides gerne: Musik, Entertainment und Fußball, das sind meine beiden Leidenschaften. Bislang ist Fußball mein Job und alles andere läuft noch „nebenbei“. Ich spiele, seitdem ich 4 Jahre alt bin.

Style PASS online: Auf Wikipedia ist von einer Zusammenarbeit mit einem Rapper die Rede.

Ja, da habe ich aber gesungen!

Style PASS online: Da schließt sich doch eindeutig folgende Frage an: Wer ist fußballerisch Ihr Vorbild und welches künstlerisch?

Da muss ich Sie leider enttäuschen. Ich hatte nie Vorbilder!

Style PASS online: Das ist keine Enttäuschung. Wenn es so ist, dann ist es wohl so!

Ich habe bereits mit 4 Jahren angefangen zu spielen und hatte nie weibliche Fußballerinnen als Vorbild. Ich kannte mich da gar nicht aus, weil ich mit Jungs gekickt hatte. Zu dem Fußball bin ich über meinen besten Freund gekommen *lacht* im Kindergarten! Ich hatte immer eher männliche Fußballer, die ich cool fand.

Style PASS online: Die Torhüterin Almuth Schult bemängelte „Menschen kennen unsere Gesichter nicht!“ Sehen Sie das auch so, oder werden Sie, auch durch Ihr Instagram-Engagement, oft genug im „normalen“ Leben um ein Autogramm gefragt?

Ich würde mich in jedem Fall Almuth anschließen. Die Vergleichbarkeit im Hinblick auf die mediale Präsenz ist nicht da, da muss man sich nicht mal mit den Männern vergleichen. Deutschland hat die letzten zehn Jahre verschlafen oder aggressiver formuliert „einfach keinen Bock gehabt“. In England wird viel mehr für die Frauen getan, vor allem auch medial. Es wird für Spielerinnen immer uninteressanter, in Deutschland zu bleiben.

Style PASS online: 2015 wurden von Sie von der Trainerin Martina Voss-Tecklenburg für den Algarve-Cup erstmals in den Kader der Schweizer Nationalmannschaft berufen. Heute coacht Voss-Tecklenburg die deutschen Frauen. Welche Dinge verbinden Sie mit Martina Voss-Tecklenburg?

Sie ist eine gute Trainerin, sie hat viel fachliches Verständnis, ich glaube auch, dass sie neuen Schwung in den DFB bringt, ich glaube, sie wird viel mit dem Team erreichen, auch, weil sie ein gutes Gespür für junge Talente hat. Ich denke, sie wird viel reißen.

Style PASS online: Neulich stellte das Magazin DER SPIEGEL den Gehaltsvergleich zwischen Männern und Frauen im Fußball auf: 1,8 Millionen für Männer in der ersten Liga versus 36.000 Euro für Frauen in der ersten Liga in Deutschland/Jahr. Haben Sie sich in Ihrer Karriere immer fair bezahlt gefühlt?

Nein, sicher nicht! Irgendwie hab‘ ich es mir ja auch ausgesucht, ich hätte mit Fußball ja auch aufhören können.

Style PASS online: Was hat Sie bei der Stange gehalten?

Die Leidenschaft zum Sport. Ich wollte schon immer gerne Fußballerin werden. Natürlich ist die Sportart komplett unterbezahlt. Beim Männerfußball wird über Merchandising viel mehr Geld umgesetzt. Das Rumgejammere über die Bezahlung stimmt natürlich, aber es führt uns nicht weiter, da muss man halt mal was ändern. Aber das wird nicht getan. Es wird sich auf die Schulter geklopft, wenn man von männlicher Seite so viel getan hat, dass sich Frauen was zu Essen zu kaufen und ihre Miete zu zahlen können. Männer werden im Fußball komplett überbezahlt. Ein Arzt, der in der Dritten Welt hilft, leistet sicherlich mehr als ein Sportler.

Style PASS online: Die Arbeit eines Krankenpflegers/einer Krankenpflegerin ist sicherlich systemrelevanter als Entertainment durch Sport.

Vielleicht bin ich zu sozialistisch eingestellt *lacht*

Style PASS online: Ich wollte Ihre Sichtweise nicht als „sozialistisch“ abklassifizieren.

Ich finde den Vorstoß der Schweden toll: Männer spielen und das Geld geht an die Frauen. Wir brauchen die Männer!

Style PASS online: Männer und Frauen sollten auf einer Ebene stehen?

Ja, dennoch wird es gesellschaftlich einfach so bislang nicht gesehen.

Style PASS online: Frauenfußball hat hier und da noch den Ruch der „Charityveranstaltung“.

*Lacht* Sind ja auch nur Frauen!

Style PASS online: Männer sollten darüber nachdenken, wie sie heute gesehen werden wollen?

Definitiv. Es ist ja schon in vielen Formulierungen und in der Erziehung angelegt: „Du schlägst wie ein Mädchen!“ Ja, ich „schlag‘ wie ein Mädchen!“, ja stimmt, aber ich bin ja auch ein Mädchen! Man versucht das ja alles aufzubrechen, aber es sitzt in den Köpfen vieler Jungs auch tief.

Styl PASS online: Ich möchte Machos nicht verteidigen.

Viele Menschen hinterfragen sich einfach nicht. Frauen werden in den Medien sexualisiert und auch in der Comedy nervt mich das. Gerade Frauen in der Comedy sprechen sehr viel über Sex. Ich finde das traurig. Kann eine Frau nur Erflog haben, wenn sie offensiv über Sex spricht?

Style PASS online: Da haben wir die starke, kecke Frau, wenn sie über Sex spricht, aber wenn sie über Politik spricht, ist sie nicht mehr erfolgreich?

Genau. Gewisse Themen sind halt einfach „Frauenthemen“. Ich kritisiere da unsere Gesellschaft.

Style PASS online: Orientieren Sie sich an Rollenbildern oder macht Rachel Rinast das so, wie sie das richtig findet?

Ich starte jetzt erst im Bereich Comedy. Ich bin ich und erzähle aus meiner Sicht. Ich spiele schon mit Klischees. Eins will ich nicht: Rumheulen, darüber, dass Frauen nicht ernst genommen werden. Ich will das nicht und ich will auch nicht als „verbitterte Alte“ abgestempelt werden. Und manche Klischees stimmen ja: Ich schaue mir Männer ja auch lieber an als Frauen - ich finde, die sollten deutlich engere Trikots tragen *lacht*!

Ich verstehe auch generell nicht, warum man Männer mit Frauen vergleichen muss. Das ergibt für mich wenig Sinn. Ich will mit meiner Comedy die Menschen sensibilisieren, über Humor!

Styl PASS online: Die Frauen bringen ihre Leistung beim Training und den Spielen, gehen nebenbei noch arbeiten, studieren oder machen eine Ausbildung. Was sollen die Frauen noch mehr machen, um dieselbe Anerkennung wie die Männer zu kriegen?

*lacht* kochen und putzen!

Style PASS online: Bei Wikipedia ist zu lesen, dass Sie praktizierende Jüdin sind. Sport, Fußball, Politik und Religion, manchmal lässt sich das alles nicht so ganz trennen – haben Sie in dieser Hinsicht mal schlechte Erfahrungen gemacht?

Ich habe im Sport selbst nie schlechte Erfahrungen gemacht, wobei ich eher jüdisch geprägt, aber keine streng praktizierende Jüdin bin. Ich habe immer gut mit Frauen verschiedener Religionen zusammengespielt, auch Muslima. Allerdings war ich dann mal in Israel und habe Fotos auf meinem Instagram-Account geteilt: Da bekam ich einige Hass-Nachrichten in Richtung „Pro Palästina“, wobei ich mich zu der israelischen Politik gar nicht geäußert habe.

Style PASS online: Was sind Ihre persönlichen Ziele, die Sie gerne noch erreichen wollen?

Tatsächlich würde ich gerne mehr im Entertainment-Bereich machen und mehr Fans gewinnen. Ich spüre den Drang, vor die Kamera und auf die Bühne zu wollen. Gerne würde ich das weiterhin mit dem Fußball kombinieren. Fußball und Kunst, das wird viel zu selten verbunden.

Und fußballerisch: Die Quali mit meinem Nationalteam für die EM bestehen.

Vor all dem fußballerischen Entertainment liegt mein absoluter Fokus auf dem Wiederaufstieg mit dem FC, also meinen sportlichen Leistungen!

 

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Style PASS-Tipp: Hört hier rein!

Mit Rachel Rinast sprach die Style PASS online-Herausgeberin Eva Britsch

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