Life & Body

Risiken rund um einen schönen Po

Warum der "Brazilian Butt Lift" nicht von den Kardashians erfunden wurde und welche Schönheits-Op Männer am effektivsten in ihrem Selbstbewusstsein unterstützt, darüber sprach Style PASS mit dem Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie, Dr. Alexander Schönborn, als wir den Praxis-Inhaber und Präsidenten der "Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen" (VDÄPC) in seinen Räumlichkeiten nahe des Berliner Savignyplatzes besuchen.

Die dezent in weiß eingerichtete Praxis wird hier und da mit geschmackvoller Kunst garniert und Style PASS erlebt einen humorvollen Mediziner, der die Mission, Menschen hier und etwas schöner zu machen, sehr ernst zu nehmen scheint.

Style PASS: Sehr schöne Praxis! In diesem Raum wird operiert?

Wir schauen in einen Raum, der an einen OP erinnert.

Dr. Schönborn: Nein, also größere operative Eingriffe führe ich hier nicht durch. Aber Freitags ist eigentlich für Eingriffe reserviert, aber heute habe ich mir Zeit für Style PASS genommen.

Style PASS: Danke! Dann starten wir doch mit der Frage, was die aktuellen "Trends" in der Plastischen Chirurgie sind? Die am häufigsten nachgefragten Eingriffe bleiben seit einigen Jahre konstant.

Schönborn ruft eine Power-Point-Präsentation auf seinem Laptop auf, die zeigt, dass Botulinumbehandlungen und Hyaloron bei den nicht-invasiven Eingriffen die am häufigsten durchgeführten Maßnahmen sind, und auch insgesamt die Eingriffe sind, die am häufigsten nachgefragt werden. Bei den Eingriffen, die mit einer Operation verbunden sind, sind es die Fettabsaugung, die Oberlidplastik und die Brustvergrößerung.

Style PASS: Warum fällt auch die Faltenbehandlung, bekannt geworden unter dem Markennamen "Botox", mit in die Statistik?

Die Botulinumbehandlung darf nur von Ärzt*innen durchgeführt werden, da es sich hierbei um ein Medikament handelt, das eingesetzt wird. Ich würde sagen, es gibt einen Trend zu leichteren Operationen, bei denen man mit kleineren Eingriffen schon eine hohes Maß an Zufriedenheit bei den Patient*innen herbeiführen kann.

Style PASS: Unter den "Top Ten" finden wir die in den Medien beziehungsweise auf Social Media gehypten Eingriffe das "Buccal Fat Removal" und den "Brazilian Butt Lift" gar nicht? Beides scheint aus den USA zu kommen.

Ich würde sagen, dass das "Buccal Fat Removal" ein Social Media-Trend ist, ja, der aus den USA kommt. Aber der Brazilian Butt Lift wurde ursprünglich in Lateinamerika populär, weil hier ein eher weiblicher Körper en vogue ist. Eigentlich sprechen wir hier von "Eigenfettinjektion in die Gesäßregion" und die gibt es eigentlich bereits seit Jahrzehnten, seit Mitte der 80er Jahre. In den 2000er Jahren stiegen die Zahlen sehr an. 92 Prozent der Povergrößerungen werden mit Eigenfett gemacht, Implantate werden hierfür kaum noch verwendet.

Style PASS: Am "Brazilian Butt Lift" wird kritisiert, dass es relativ hohe Todesraten geben würde. Können Sie uns das etwas einordnen? Warum gilt der Eingriff als "gefährlich"?

Als die Eigenfettinjektionen in die Gesäßregion zunahmen, hatte man plötzlich mit Todesfällen zu tun. Der erste Artikel erschien dazu 2015 in einem angesehenen Fachmagazin, dem "White Journal", da wurde gefragt: Was machen wir eigentlich falsch? Die Zahl lag bei einem Todesfall auf 3500 Operationen.

Style PASS: Wie gings weiter nach dem Artikel?

Es wurde eine "Task Force" von Plastischen Chirurgen gebildet, die vor allem Todesfälle - 11 Stück – in Südflorida nachuntersucht hat. Nach der eigentlichen Obduktion. Daraus ergaben sich vier Empfehlungen, die als Handblatt an jeden Plastischen Chirurgen geschickt wurde. Der eigentliche Grund war die Eigenfettinfiltration in den Muskel. Die eigentliche Todesursache war ja eine Embolie.

Style PASS: Welche Handlungsempfehlungen wurden erteilt?

Die drei wichtigsten waren: Keine Eigenfett-Transplantation in den Gesäßmuskel, sondern nur in das Unterhautfettgewebe. Starre Kanülen mit einem Durchmesser von >4mm statt flexible Kanülen verwenden und die Kanüle muss nach oben zeigen und nicht nach unten in den Muskel.

Style PASS: Können Sie den Zusammenhang zwischen der Fetteinspritzung in den Muskel und der Lungenembolie beschreiben?

Fett wird über die großen Gefäße zur Lunge transportiert und verschließt dort kleine Gefäße beziehungsweise wirkt giftig. Das ist der Mechanismus. 2019 hatte sich die Zahl der Todesfälle bereits stark vermindert, die letzte mir bekannte Zahl ist ein Todesfall auf 15.000 Brazilian Butt Lifts. Es gibt ein Ultraschallgerät, mit dem man seine Kanüle permanent kontrolliert, so kann der Operateur ultraschallgestützt die Eigenfettinjektion durchführen.

Style PASS: Warum wurde vor den Todesfällen in den Muskel injiziert?

In den Muskel ging man aus zwei Gründen: Man bekommt noch mal mehr Volumen und der Muskel ist so gut durchblutet, dass das Fett besser einheilt.

Style PASS: In den Medien wurde auch von Krebs im Zusammenhang mit Brustimplantaten berichtet. Was ist hier aktueller Stand?

Es geht um bösartigen Lymphome - ALCL- die mit Brustimplantaten in Zusammenhang gebracht werden, davon haben wir nun 48 Fälle in Deutschland - das ist eine sehr geringe Zahl. Die Lymphome traten bei Implantaten mit einer rauen Oberflächenstruktur auf.

Style PASS: Warum wurde die raue Struktur verwendet?

Der Gedanke war dabei, dass sich das Implantat durch die Struktur, wie soll ich sagen, mit der Brust besser verbindet, der Sitz besser ist und die Rate an Kapselfibrosen (harte, bindegewebige Verdickung, Anmerkung der Redaktion) sinkt.

Style PASS: Sind die Implantate verboten? Verwenden Sie die Implantate?

Nein, verboten sind die Implantate nicht, aber ich verwende sie nicht mehr.

Style PASS: Worum geht es beim "Buccal Fat Removal"?

Das ist ein Social Media-Trend, der drei, vier Jahre alt ist. Über einen Einschnitt in der Mundhöhle wird das Fett, das sich vor dem Kaumuskel befindet, entfernt. Ich finde es gibt einzelne Patientinnen, die dafür gut geeignet sind.

Style PASS: Bei diesem Eingriff wird teilweise kritisiert, er würde Kundinnen schneller altern lassen, beziehungsweise im Alter nicht mehr so dolle aussehen. Wie sehen Sie das?

Das Problem ist, dass uns die Langzeitdaten fehlen. Wie verändert sich das Mittelgesicht? Welchen Einfluss hat der Eingriff auf das alternde Gesicht? Ich mache den Eingriff nicht bei jungen Frauen.

Style PASS: Sie sind auch Präsident der Vereinigung der Plastischen Chirurgen. Was motiviert Sie, hier neben Ihrer Tätigkeit aktiv zu sein?

Auch wenn es blöd klingt: Es macht einfach Spaß. Man kommt mit vielen unterschiedlichen Kolleg*innen in Kontakt, man kommt mit den Medien in Kontakt, man kommt mit Kollegen im Ausland in Kontakt. Wir machen Kooperationen mit anderen Gesellschaften, das ist total spannend und ich denke, es braucht Leute, die sich berufspolitisch engagieren, das Fach verteidigen und die für Qualität stehen und auch gegen halten, gegen diesen Wildwuchs von, wie soll ich einmal sagen: "Schönheitspraxen".

Style PASS: Bildet sich die "Diversity Bewegung" auch irgendwie bei den "Kund*innen-Wünschen" ab?

Nach meiner Wahrnehmung nicht: Frauen wollen nach wie vor wie Frauen und Männer nach wie vor wie Männer aussehen. Ein Eingriff, bei dem ich sanft zurate, weil er einen immens gravierenden positiven Einfluss auf das männliche Selbstbewusstsein hat, ist die Korrektur der sogenannten "Frauenbrüstigkeit". Männer, die davon betroffen sind, ziehen sich sozial zurück, treiben keinen Sport mehr. Ich hatte neulich einen jungen Mann, der kam zur Nachkontrolle und hatte quasi sein T-Shirt schon ausgezogen, als er kaum durch die Tür durch war, weil er sich plötzlich so wohl in seinem Körper gefühlt hat.

Vielen Dank!

 

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