Life & Body

Style PASS spricht mit einem Fachexperten über „Intimchirurgie“

„Medien stellen Diversität nicht dar!“

Eingriffe im Intimbereich sind gar nicht so selten, wie man vielleicht denkt. Sie landen aktuell unter den „Top Ten“ der meist nachgefragten Plastischen Chirurgischen Eingriffen in Deutschland. Dabei spielt die Ästhetik oft, aber nicht immer eine Rolle - Dr. Uwe von Fritschen, Chefarzt der Klinik für Plastische und Ästhetische Chirurgie am Helios-Klinikum Berlin Zehlendorf, behandelt darüber hinaus Frauen mit so genannten Genitalverstümmelungen – Style PASS sprach mit ihm über seine Arbeit in der Intimzone.

Style PASS: Die „Intimchirurgie“ ist auf Platz 8 der meist nachgefragten Eingriffe in Deutschland. Um was für Eingriffe handelt es sich da konkret?

Dr. Uwe von Fritschen: Am häufigsten findet die Anpassung von Größe und Form der kleinen Schamlippen statt. Seltener sind Verkleinerungen der großen Schamlippen, oder die Straffung der Vorhaut. Weitere Eingriffe sind Vaginalstraffung, Hymenrekonstruktion und teilweise die so genannte „G-Punkt“-Unterfütterung.

Style PASS: Aktuell ist die Zahl dieser Eingriffe um rund 17 Prozent gestiegen. Hat dies „nur“ mit Corona zu tun (mehr Zeit, sich um seinen Körper zu kümmern), oder welche Gründe sehen Sie, dass Frauen verstärkt intimchirurgische Eingriffe nachfragen?

Nein, dieser Trend besteht international schon lange! Die Gründe sind meiner Einschätzung nach komplex. Ein paar Aspekte dazu: Als medizinische Gründe werden häufig Schmerzen im Sitzen bereits in Konfektionswäsche, beim Fahrradfahren oder ähnlichem angegeben. Hymenrekonstruktionen werden bei entsprechendem kulturellem Hintergrund nachgefragt. Eine Scheidenstraffung kann erforderlich sein, wenn sich die Gebärmutter oder Harnblase deutlich gesenkt haben, zum Beispiel nach mehreren Geburten oder einer altersbedingten Gewebeschwäche.

Der von Ihnen angesprochene Zuwachs wird jedoch weitgehend auf andere Faktoren zurückzuführen sein. Allerdings überlappen die Bereiche diffus. Es existieren keine eindeutigen Kriterien für zum Beispiel eine „pathologische“ Vergrößerung der Schamlippen - daher gibt es auch kein „standardisiertes“ Vorgehen. Bei den Patientinnen herrscht eine verschwommene Vermischung von funktionellen Problemen mit zusätzlicher ästhetischer Motivation vor, weshalb es zu den Eingriffen kommt.

Style PASS: Gibt es weitere Motivationsgründe, im Intimbereich Plastische Chirurgie nachzufragen?

Ja, wir sehen einen zunehmend freizügigeren Umgang mit Sexualität in den Medien, der einhergeht mit Körperoptimierung in allen Bereichen. Es gibt eine Veränderung der kulturellen und gesellschaftlichen Normen.

Die Ausbildung der Vulva hat eine große natürliche Bandbreite, aber durch die geringe ästhetische Diversität in den Medien, Internetforen und (zum Teil bearbeiteten) Bildern entsteht ein unrealistischer Anspruch an „normale, uniforme Genitalien“. Eine Abweichung wird dann als unattraktiv wahrgenommen und verursacht Unsicherheit, Scham und Minderung des Selbstwertgefühls.

Style PASS: Ihr Fach beschäftigt sich mit den Motivationsgründen?

Ja, allerdings ist die wissenschaftliche Evidenz für Indikation, Motivation und Benefit sehr überschaubar.

Hier zitiere ich eine norwegischen Studie:

Motivations for surgery were cosmetic (69.8%), physical/practical (62.3%), emotional (54.7%), and intimate (49.1%). When emotional reasons were involved, media (39.7%), pornography (31.5%), and negative comments (28.8%) influenced the decision to undergo surgery. Genital concerns had negative effects on self-esteem (63.2%) and sexual attractiveness (57.9%) among others.“

Style PASS: Suchen auch Männer hier die Hilfe von Plastischen Chirurgen? Was können Männer „unten rum“ überhaupt „verbessern“ lassen?

Wesentlich seltener. Möglich ist eine Penisverlängerung oder -verdickung.

Style PASS: Sie gelten als einer von Deutschlands Fachexperten im Bereich der rekonstruktiven Plastischen Chirurgie bei so genannten „Genitalverstümmelungen“. Wie kam es dazu, dass Sie sich hier spezialisiert haben?

Innerhalb der zunehmenden Fluchtbewegung kamen vermehrt betroffene Frauen und Kinder nach Deutschland. Diese Entität war im Gesundheitswesen hier bislang praktisch unbekannt. Das „Waldfriede Krankenhaus“ in Berlin hat sich der Betreuung angenommen und das „Desert Flower Center“ gegründet; vorwiegend, um die hiermit häufig auftretenden Fistelungen zu behandeln. Es stellte sich dann aber heraus, dass rekonstruktive Eingriffe erforderlich waren. Ich hatte in anderen Bereichen eine langjährige Erfahrung in der Genitalchirurgie. Daher bin ich seinerzeit angesprochen worden. Die Frauen und ihre Schicksal liegen mir sehr am Herzen, weshalb ich mich zunehmend in diese Problematik eingearbeitet habe

Style PASS: Die Genitalverstümmelung, wie sie nach wie vor in manchen Kulturkreisen Afrikas praktiziert wird, durch Zuwanderung nach Deutschland aber auch hier stattfindet, stellt hier einen schweren Straftatbestand dar. Hat Ihre Arbeit auch eine juristische Komponente (Frauen ermutigen, Anzeige zu stellen)?

Über konkrete Zahlen von Eingriffen in Deutschland ist so gut wie nichts bekannt. Es wird nicht davon ausgegangen, dass dies in erheblichen Umfang erfolgt. Wir informieren die Multiplikatoren, Frauen und auch männliche Familienmitglieder über den rechtlichen Rahmen in Deutschland sowie die Konsequenzen - gegebenenfalls auch für ihr Asylverfahren. Wenn uns konkrete Fälle bekannt werden, bemühen wir uns, die entsprechenden Stellen zu integrieren. Vorwiegend betrifft dies Kinder, die zum Urlaub ins Ausland genommen werden, um dort beschnitten zu werden.

Style PASS: Es wird in die körperliche Unversehrtheit von Kindern eingegriffen!

Der Kontext auch hier ist ausgesprochen komplex. Zu bedenken ist, dass die Beschneidung, wie Sie sagen, in der Regel im Kindesalter erfolgt. Ob eine Inhaftierung der Eltern, die diesen Eingriff aus sehr verschiedenen Gründen durchführen lassen, sinnvoll wäre, ist nur ein Aspekt. Die Eltern wollen ihren Kindern, so ist es unsere Wahrnehmung, ja nicht bewusst schaden, sondern die Verstümmelung ist kulturell motiviert. Wir setzen eher auf Aufklärung.

Style PASS: Die Verstümmelung der Klitoris bestimmt je nach Schwere des Eingriffs das ganze Leben der Frauen – verlängerte, schmerzhafte Menstruation, Komplikationen bei Geburten, unter Umständen kaum Lustgewinn bei Sexualität. Ist es für Ihre Patientinnen einfach, sich einem männlichen Plastischen Chirurgen anzuvertrauen oder finden Sie schnell Zugang zu der Problematik?

Im Desert Flower Center übernimmt eine Ärztin, Frau Dr. Strunz, den wesentlichen Teil der nicht-operativen Betreuung. Dies hat sich auch sehr bewährt. Die Frauen sind jedoch fast immer sehr aufgeschlossen und haben mit meiner Integration im Anschluss kein Problem.

Style PASS: Müssten Politik und Ärzteorganisationen mehr tun bei diesem Thema? Die Initiative „Selbstbestimmt ins Leben starten – ohne Genitalverstümmelungen“, die von Style PASS unterstützt wird, hatte zum Beispiel Probleme, Zahlen zu weiblicher Genitalverstümmelung bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zu recherchieren, diese „würden nicht aufgenommen“. Genitalverstümmelungen, ein Thema, mit dem man sich nicht gerne beschäftigt?

Ganz so ist es nicht. Wir hatten mehrere Anhörungen Senat. Hierfür sind auch Gelder zur Verfügung gestellt worden. Wir kooperieren mit mehreren Institutionen. Das Thema ist jedoch ausgesprochen komplex, die Patienten sind zum Teil schwierig zu erreichen, haben häufig keinerlei gesundheitliches Grundwissen, ausreichende Multiplikatoren in den Communities, die auch entsprechend ausgebildet sind, finden sich nicht und sind auch kaum zu finanzieren. Ich denke schon, dass es ein großes Interesse von sehr engagierten Personen gibt. Die Struktur ist jedoch ausgesprochen herausfordernd.

 

Vielen Dank

 

Interview: Eva Britsch, Herausgeberin Style PASS

Crunches für die unteren Bauchmuskel

Crunches in umgekehrter Richtung trainieren vor allem die unteren Bauchmuskeln. Bei dieser Übung gibt es unzählige Variationen. Style PASS stellt die einfachste Ausführung vor.

 

Tipps von der Fitness-Expertin Julia Sima

Weiterlesen