Life & Body

Volkskrankheit Depression - eine Ärztin im Style PASS-Gespräch

"Klassische Rollenbilder werden abgebaut"

Über die "Volkskrankheit Depressionen" - über sie wird viel gesprochen, doch wirklich "in den Griff" scheint Deutschland das Problem nicht zu kriegen.

Style PASS sprach mit Dr. Ragnhild Rössing, Chefärztin der My Way Klinik, über die Krankheit und unseren Zeitgeist, in dem klassische Rollenbilder immer noch relevant sind.

Style PASS: Woran erkennt man eine Depression?

Grundsätzlich muss unterschieden werden zwischen Stimmungsschwankungen, die jeder von uns hat, zum Beispiel als Folge von Ereignissen, die einem an manchen Tagen aufs Gemüt schlagen, und ernsteren Stimmungstiefs. Wenn die Symptome länger als zwei Wochen andauern, sollte man sie prüfen lassen. Die häufigsten Anzeichen für eine Depression sind Antriebsschwäche, negative Gedanken, Interessenverarmung, Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafstörungen und vermindertes Selbstbewusstsein. Aus der Zahl der Symptome lässt sich der Schweregrad erkennen.

Style PASS: Laut Gesundheitsministerium erkrankt fast jeder fünfte Mensch mindestens einmal in seinem Leben an einer Depression oder einer chronisch depressiven Verstimmung. Welche Ursachen liegen der „Volkskrankheit“ zugrunde?

Die genauen Ursachen sind noch nicht voll ausgeforscht. Eine Rolle spielt die genetische Disposition, das heißt die erbliche Veranlagung. Die Auslöser sind vielfach durch Ereignisse in der Psychodynamik zu sehen, also in der seelischen Entwicklung, zum Beispiel durch die Lebensumstände in der Kindheit als Summe von Ereignissen oder auch durch bestimmte Ereignisse, die auf das Gemüt schlagen. Betroffene kommen dann nicht mehr aus der Dunkelheit der Emotionen heraus.

Style PASS: Style PASS möchte die Leser*innen zu einem sportbetonten Lifestyle motivieren. Wie verhält sich Sport zum Verlauf einer Depression?

Es ist bekannt, dass durch den Sport Glückshormone ausgeschüttet werden können. Studien von Krankenkassen weisen aus, dass sich regelmäßiger Sport positiv auf die Psyche auswirken kann. In der My Way Klinik geben wir sogar Karten für ein öffentliches Fitnessstudio aus, damit „Sportfaule“ einen Anfang machen können und zu Hause – nach der Genesung – an das positive Erleben anknüpfen können.

Style PASS: Der beliebte Torhüter Robert Enke warf sich einst von nicht behandelten Depressionen geplagt vor einen Zug und beging Suizid. Seine Ehefrau berichtete danach, Enke wollte sich nicht behandeln lassen und mit seinem Verein nicht über seine Erkrankung reden. Gehen Frauen bis heute im Gegensatz zu Männern offener mit Depressionen um? Was beobachten Sie in der „My Way Klinik“, wo Sie als Chefärztin tätig sind?

Es handelt sich hier um die klassischen Rollenbilder: der harte Mann und die gefühlvolle Frau. Diese Rollen werden gesellschaftlich langsam abgebaut. Männer tun sich in der Tat schwerer, ihre Erkrankung einzugestehen. Für viele ist es auch sehr schambesetzt, sich die Krankheit einzugestehen. Laien setzen eine Depression ja oft gleich als Mischung aus Willens- und Charakterschwäche.

Aber wenn Betroffene sich zur Annahme von Hilfe entschieden haben, sehen wir in der "My Way Klinik" keinen signifikanten Unterschied. Beide Geschlechter wollen geheilt werden.

Style PASS: Sind Menschen, die in bestimmten Berufen tätig sind, besonders betroffen?

Es gibt den Depressionsatlas von Krankenkassen, wonach Callcentermitarbeiter, Altenpfleger und Erzieher die Krankheitstage wegen Depression anführen. Dort herrscht wohl ein hoher Stresslevel, und das nicht nur vorrübergehend. In Lehre und Forschung geht es dagegen entspannter zu. Aber der Beruf ist nur die eine Seite. Wichtig ist die sinnstiftende Arbeit mit dem Gefühl: Es ist wichtig, was ich tue und ich mache es gern.

Style PASS: Wann sollten Antidepressiva/Medikamente eingesetzt werden?

Zunächst kann man versuchen, mit milden, auch pflanzlichen Stoffen zu beginnen. Nach den Leitlinien empfehlen sich Psychopharmaka und Psychotherapie in Kombination. Wir halten die Psychotherapie als das Mittel erster Wahl.

Style PASS: Welche sind die Länder, in denen weniger oder mehr Bürger*innen von Depressionen betroffen sind, als in Deutschland?

Die Statistiken der OECD für 2022 zeigen deutlich weniger Prävalenz – das ist der Anteil der Krankheitsfälle gemessen an der Bevölkerungszahl – in den Mittelmeerländern Italien, Spanien und Griechenland.

Vielen Dank!

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